M. Aoun (u.a. Hrsg.): Conciles provinciaux et synodes diocésains

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Titel
Conciles provinciaux et synodes diocésains du concile de Trente à la Révolution française. Défis ecclésiaux et enjeux politiques ?


Herausgeber
Aoun, Marc; Jeanne-Marie, Tuffery-Andrieu
Erschienen
Strasbourg 2010: Presses Universitaires de Strasbourg
Anzahl Seiten
416 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Michael Quisinsky

Europe), Strasbourg, Presses universitaires de Strasbourg 2010, 416 p.

In der jüngeren Vergangenheit und in der Gegenwart war und ist nicht zuletzt im kirchlichen Leben Frankreichs die Frage virulent, wie auf ortskirchlicher Ebene die synodale Dimension der Kirche verwirklicht werden kann. Zahlreiche Bistümer, wie die von Bernard Brajat in vorliegendem Band nur beispielhaft vorgestellte Diözese Cahors, liessen sich auf diesbezügliche Prozesse ein. Deren gegenwärtige gesamt- wie ortskirchlichen Rahmenbedingungen, wie sie sich aus dem CIC von 1983 und dem CCEO von 1990 ergeben, stellt Patrick Valdrini in einem informativen Beitrag vor. Gemeinsam mit den Beiträgen von Pierre Maraval über die Synoden und Konzilien in der Alten Kirche, von Francis Rapp über die mittelalterlichen Diözesansynoden in Frankreich sowie von Marc Venard über die dortigen nachtridentinischen Provinzialkonzilien stellen Valdrinis Ausführungen einen hilfreichen und weiterführenden historischen und theologischen Rahmen dar, in dem das Kaleidoskop der Beiträge über die von vielerlei örtlichen, politischen, geistlichen und nicht zuletzt auch menschlichen Aspekten geprägten Provinzialkonzilien und Diözesansynoden seine Aussagekraft erhält. Wenn Valdrini die gegenwärtige Situation der Synodalität in den Blick nimmt, so ist der Band insgesamt freilich dem nachtridentinischen Katholizismus gewidmet, sodass auch die Frage nach Kontinuitäten und Diskontinuitäten latent im Raum steht.

Während sich einige Beiträge einzelnen Aspekten oder Akteuren widmen, betrachten andere stärker die jeweilige Gesamtsituation, in die die Synoden eingebettet waren. Das Beispiel Toul zeigt in besonders exemplarischer Weise, zwischen welchen Polen eine Diözesansynode angesiedelt war: zwischen Pastoral einerseits und Politik andererseits, sodann aber auch, hinsichtlich der Rolle der Synoden für das religiöse Leben der Diözese, zwischen deren Verlautbarungen einerseits und der Realität vor Ort andererseits (vgl. 132), zwischen dem «Gewicht der Tradition» (138) einerseits und dem Wunsch nach Reformen andererseits. Wie etwa die Forderungen einer Gruppe von Pfarrern der Diözese Toul im Hinblick auf die Rolle der Synoden zeigen, konnten diese ein Ort des konstruktiven Austauschs, aber auch des Kräftemessens zwischen den verschiedenen Akteuren kirchlichen Lebens sein. Dass im konkreten Falle in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts episkopalistisches bzw. febronianistisches Gedankengut eine zentrale Rolle spielte, zeigt in Verbindung mit einem «Ultramontanismus», den Marc Venard bereits für die Versammlung in Embrun 1583 diagnostiziert hat (40 – selbstredend mit dem Hinweis des Autors, dass der Begriff als solcher hier anachronistisch ist), wie sehr langfristig wirksame Entwicklungslinien bald nebeneinander herlaufen, bald gegeneinander stehen können, und nicht selten eine komplexe Wechselwirkung eingehen. Insofern die beiden eben genannten Linien, die eine stärker an den Bischöfen und Ortskirchen, die andere stärker am Papst und Rom ausgerichtet, in verschiedener Spielart dann auch das 19. und 20. Jahrhundert prägen sollten, so stellt sich nicht zuletzt auch die Frage, ob und inwiefern mit und nach dem II. Vaticanum das Erbe der Vielfalt des nachtridentinischen und in der Folge auch des neuzeitlichen Katholizismus in eine katholische Weite eingeschrieben werden konnte.

Vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Beobachtungen, die naturgemäss v.a. in einer Zusammenschau erfolgen können, kommen über die Aspekte, die in den einzelnen Beiträgen behandelt werden hinaus noch einmal neu Einzelfragen in den Blick, die gerade auch aufgrund ihrer Verwurzelung in konkreten Situationen vor Ort Grundsätzliches über die Vielgestaltigkeit des nachtridentinischen Katholizismus aussagen könnten. So wären, um nur drei Beispiel zu nennen, angesichts dessen herausragender Rolle als bischöflichem Modell erstens vergleichende Studien zur Rezeption des Beispiels von Karl Borromäus – er spielt in mehreren Beiträgen eine Rolle – durch verschiedene französische Bischöfe von Interesse. Zweitens könnten Untersuchungen zu theologischen Konflikten zwischen französischen Bischöfen aufschlussreich sein für das komplexe Ineinander und Gegeneinander verschiedener theologischer Entwicklungslinien (vgl. am Beispiel des Jansenismus Bischof Charles de Caylus und sein Metropolit Jean-Joseph Languet de Cergy, 191ff.). Drittens schliesslich wirft Bernard Hours am Beispiel der Diözesansynoden von Lyon im 17. und 18. Jahrhundert die Frage nach dem Zusammenhang von allgemeiner wie theologischer Bildung (in diesem Falle der Pfarrer) und dem Wunsch nach Mitsprache in religiösen und kirchlichen Fragen auf. Mit der Frage nach diesem Zusammenhang dürfte sich eine grundsätzliche Herausforderung neuzeitlicher Kirchlichkeit ankündigen, die die Synodalität in besonderer Weise betrifft.

Zitierweise:
Michael Quisinsky: Rezension zu: Conciles provinciaux et synodes diocésains du Concile de Trente à la Révolution française. Défis ecclésiaux et enjeux politiques? Sous la direction de Marc Aoun/Jeanne-Marie Tuffery-Andrieu (Société, droit et religion en Europe), Strasbourg, Presses universitaires de Strasbourg 2010. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 105, 2011, S. 567-568.

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